Übach und seine Schützen in der Gründerzeit
Anfang des 15. Jahrhunderts lebten etwa 2.5oo Menschen auf dem Gebiet des heutigen Übach-Palenberg und diese könnte man mit folgenden Stichworten beschreiben: geringe materielle Kultur, überwiegend bäuerlich, naive Geisteshaltung, ausgeprägtes Eigengruppenbewusstsein und geringe Mobilität. Die Menschen lebten praktisch nur in einem Ort und bewegten sich selten davon weg. Der heute fast versiegelte Übach floss damals noch so kräftig, dass er in den vergangenen Jahrhunderten im Bereich des heutigen Rathausplatzes eine Mühle antrieb. Jeder Ort hatte also seinen ganz eigenen Charakter, seinen unverwechselbaren Menschenschlag. Jeder war jedem vertraut und die Menschen waren sehr stark aufeinander angewiesen. Sie mussten und konnten auf Grund dieses äußeren Zwanges auf die gegenseitige Hilfe zählen.
In dieser Zeit passierte die Gründung der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Übach im Jahre 1410. Unterlagen hierüber existieren leider nicht mehr, aber die Zeitangabe stützt sich auf verlässliche Informationen, die sich auf verloren gegangene Dokumente beziehen.
Wer gedanklich auf die Gegenwart schweift, sieht vor seinen Augen eine Schützengruppe in einem Festzug mit schmucken Uniformen und lachenden Gesichtern. Doch das trifft nicht auf die Gründerzeit zu. Das Wort „Schützen“ hatte vor 600 Jahren bedingt durch die damaligen Umstände eine ganz andere Bedeutung, denn Recht und Gesetz waren in jener Zeit nicht mit denen von heute zu vergleichen. Selbst wenn schon einiges auf dem Papier geregelt war – es galt zwischen 1295 und 1532 das Thorner Landrecht – mussten die einzelnen Orte zum Beispiel ihren eigenen unmittelbaren Schutz selbst organisieren. Alles war somit von den zwei Händen der Menschen und die Kraft, den Mut und die Wehrhaftigkeit der Männer abhängig. Man hatte also erkannt, dass eine gemeinschaftliche Organisation die vielfältigen Aufgaben und Schutzbedürfnisse des Ortes am besten erfüllen konnte.
Anfang des 15. Jahrhunderts übernahmen in vielen Orten die von den Bürgern gegründeten Schützenbruderschaften viele Aufgaben, die heute von öffentlichen Institutionen wahrgenommen werden wie zum Beispiel Verwaltung, Feuerwehr, THW und Polizei. Hier ging es der Bevölkerung also um die Grundbedürfnisse von Leben und Überleben. Es galt z.B. sich gegen herumstreunende Soldaten zu wehren, weil in diesen Zeiten immer irgendwo Kriege herrschten und Soldaten unterwegs waren. Diese mussten auf ihre Weise überleben, notfalls auf Kosten unschuldiger Dorfbewohner. Aber auch brennende Häuser zu löschen oder nach extremen Wettersituationen Ordnung zu schaffen, sich bei Krankheiten oder Seuchen gegenseitig zu helfen, gehörte zur Aufgabe einer Schützengruppe. Also leitete sich das Wort „Schützen“ mehr von „Schutz“ als von „Schießen“ ab. Dies prägte den Gemeinschaftsgeist des ganzen Ortes im Allgemeinen und den der Schützen (Schützer) im Besonderen. Die Schützen trugen also einen ganz erheblichen Teil bei zum Funktionieren des Zusammenlebens im Ort.
Aber es sind auch überörtliche Schießspiele überliefert, die im 15. und 16. Jahrhundert stattgefunden haben. Also forderte den Schützen nicht nur die Alltagspflicht, man ließ auch Raum für gemeinsame Zusammenkünfte mit wettkampfmäßigem Charakter.
Das Verhalten der einzelnen Schützen war also das wichtigste Merkmal der Zugehörigkeit. Unbescholten musste man sein, Unerschrockenheit und Tapferkeit waren Voraussetzungen ebenso wie die Hilfsbereitschaft. Tief im christlichen Glauben verwurzelt, verstanden sich die Schützen auch als Hüter des Glaubens und der Religion. Der Wahlspruch der Schützen „Für Glaube, Sitte und Heimat“ beschrieb dabei den Sinn für das eigene Tun und war gleichzeitig Motivation und Zielsetzung für das ganze Leben.
Der hl. Sebastianus als Schutzpatron und Namensgeber der Übacher Schützenbruderschaft wurde daher auch mit Bedacht gewählt. Als Pestheiliger betete man um seine schützende Hand. Sein christliches Bekenntnis – auch wenn es das eigene Leben gefährdete – strahlte auf den Geist der Bruderschaft aus.